Martin Veigl
Close-up View


WERKE


What about Pictures

Seit Menschen bildend gestalten können, hinterlassen sie plakative Artefakte in ihrem Umfeld als Kommunikationswege von Erlebtem bis zu Gedachtem, die allgemein Interesse erwecken. Es fasziniert die jahrtausendelange Genese der Bilder mit Langzeitwirkung. Sie wurden bis in das frühe 20. Jahrhundert primär an Qualitätskriterien gemessen, die von stringenten Reglements aufgestellt waren, bis deren Kunstbegriff mit beginnender Moderne einen nachhaltigen Wandel erfuhr. Zu den Kunstmerkmalen der historischen Epochen zählte über Jahrtausende auch der Naturalismus in unterschiedlichen Gradstufen, da das Darstellungskönnen das vorrangige Beurteilungskriterium war. Mit ihm verband sich auch der Formbegriff bis zu dem Zeitpunkt, als ihn die Moderne im Zuge einer kompromisslosen Wahrheitssuche ins vorübergehende Nichts steuerte. Es war ein Auflehnen gegen die gestaltete Form, deren Ästhetik und ihre schöngeistigen Mitteilungen. Aus heutiger Sicht kann aber festgestellt werden, dass kein endgültiger Bruch stattgefunden hat, sondern dass Form und Farbe neu gesehen wurden und in markanter Veränderung begriffen waren, nicht mehr als feststehend, sondern als selbstdynamisch und prozesshaft. Zudem hatte die im 19. Jahrhundert aufstrebende Fotografie als akute Konkurrentin im Feld der sich rasant perfektionierenden Wiedergabe der Wirklichkeit mitgeholfen, die Bilder auf den Highway der Abstraktion zu steuern. Letztere erhielt ideelle und politische Untermauerungen und ließ in ihrer Zugkraft in Richtung Postmoderne nur allmählich nach. Unter diesen Prämissen musste sich die Gegenständlichkeit erst neu behaupten und einen zeitgemäßen Stand erreichen. Im Sinne des Stilpluralismus ist sie somit ein herausforderndes Kontinuum auch der Moderne und der Postmoderne.


Der in Österreich und in den Niederlanden ausgebildete Martin Veigl zählt eindrucksvoll zu diesen neuen Gegenständlichen der zeitgenössischen Malerei. Er hat die Kontroverse von Fotografie und bildender Kunst hinter sich gelassen und setzt den fotografisch festgehaltenen fruchtbaren Moment in eine formaffine und farbig dynamisierte Bildmitteilung um. Er hält in unmittelbarer Nahsicht Personen in Ereignis-Kommunikation fest. Sie treffen sich wie zufällig auf dem Bildträger und werden, frei von Inszenierung, zu wirkungsvollen Protagonist*innen, die die Betrachtenden in ihren Bann ziehen. Letztere können sich zwanglos miteinfinden. Spannung und inhaltliche Öffnung wird dadurch erzeugt, dass das Ereignis außerhalb der Bildfläche bleibt. Wir sehen also nur die Reaktionen, nicht deren Ursache. Somit ist nicht alles festgeschrieben. Das Gesehene darf weitergedacht werden. Oft wenden sich die sehr direkt charakterisierten Menschen ab, tragen schützende Sonnenbrillen und agieren untereinander. Sie liefern keine gewollten Posen ab, machen uns nichts vor. Sie erscheinen, wie sie sind. Ferner agieren sie dreidimensional in nebulosen Farbflächen, die Raum-Züge in sich tragen. Mit ihnen gewinnen zwischen den gegenständlich konkretisierten Bildbereichen formsprengende gestische Pinselstriche an Terrain – ein Gestaltungskriterium, das die form in progress durch die Bipolarität von geschlossener und offener Form anspricht. Sie ist dem beschleunigenden Wandel geschuldet.


Veigl zoomt in diesem Kontrastprogramm besonders Arme und Hände heran, die in mancher Position große kunstgeschichtliche Vorbilder umbauen. Ein intensiver Blick Veigls fällt dabei auf die Haut der meist sommerlich gekleideten Personen. Sie glänzt an erhabenen Stellen im sonnigen Bildlicht, das von ihr weiterwandert auf Haarsträhnen und Kleider, bis sich helle Spektralfarben zu den oben angesprochenen ausbrechenden Farbströmen verselbstständigen.


Die inhaltlich und formal aufgeladenen Bildkompositionen monumentalisieren sich durch ihre Unmittelbarkeit und vertreten mit gezielt gewählten Alltagsszenen als Gegenwartsbezug ein Interagieren von gestalteter Form und autonomer Farbe, die miteinander und gegeneinander antreten und gemeinsam auf subtile Weise Originalität regenerieren.


Margit Stadlober


Lebenslauf

Martin Veigl

*1988 in Steyr, lebt und arbeitet in Stadt Haag
2012‒2016
Universität für angewandte Kunst Wien bei Johann Kandl, Gerhard Müller und Henning Bohl (Diplom)
2008‒2014
Kunstuniversität Linz (Diplom)
2011‒2012
Willem de Koonin Academy Rotterdam (NL)


Preise, Stipendien und Residency
(Auswahl)
2021
OÖ Talentförderungsprämie, Bildende Kunst
2021
Anerkennungspreis, Koschatzky Art Award


Ausstellungen
(Auswahl)
2023
close up View, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Graz
2022
Blickfang, Galerie Gerersdorfer, Wien
2021
Martin Veigl, Galerie L.Art, Salzburg
2021
the space in between, Galerie Krems, Krems
2021
Ferne Nähe, Galerie in der Schmiede, Pasching/Linz
2020
Das verführte Auge, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Graz
2020
Musterstücke, Galerie Gerersdorfer, Wien
2018
Potpourri, Galerie Gerersdorfer, Wien
2017
Straßetella, Galerie in der Schmiede, Pasching/Linz
2016
urban theatre, Galerie Gerersdorfer, Wien
2016
Sommer Frische, Galerie H, Gartenhaus, Steyr
2015
eins. zwei. besser!, UBIK Space, Wien
2014
Ochs am Berg, Stadtgalerie Waidhofen an der ybbs


Gruppen-Ausstellungen
(Auswahl)
2023
Images, Blau Gelbe Galerie St. Peter in der Au; DEMEDARTS , Künstlerhaus Wien; Artist Data Base, Red carpet Showroom, Wien
2022
16th young Art Auction, Artcare, Flomyca, Wien; After the Fair and Ne Positions, von fraunberg art gallery, Düsseldorf, Deutschland; Weggefährten, Galerie Klose, Essen/D Sonne Mond Sterne, Blau Gelbe Galerie St. Peter in der Au; Experimentelle 21, Galerie Titus Koch,
Schloss Randegg/D; Entrückt, Galerie Wolfgang Jahn, Landshut/D; Show Linz, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Tabakfabrik Linz; Sommerausstellung, Sammlung Urban Waidhofen an der Ybbs; Mach dein Ding!, Galerie Bodenseekreis, Meersburg/D; Preise und
Talente, Sammlung OÖ, Offenes Kulturhaus, Linz; Ortswechsel, Blau Gelb Galerie St. Peter in der Au
2021
Moments, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Graz; Kunstpreis Lentos Freunde Lentos Kunstmuseum (Auditorium), Linz; Nachtigall Veigl Zsaitsits, Galerie 422, Gmunden Show Vienna, Galerie Schnitzler und Lindsberger, Wien; Blickwelten, NÖ Dokumentationszentrum für Moderne Kunst, St. Pölten; Koschatzky Art Award ’21, Rotary Club Wien Albertina Palais Schönborn, Wien
2020
Zeitgenössische Kunst im Parlament 2020, Parlament, Wien; Sommerausstellung 2020, Schlossmuseum Linz; Sommer Stücke, Blau Gelbe Galerie St. Peter in der Au; Angewandte
Festival, Universität für angewandte Kunst Wien


Sammlungen
Sammlung Essl, Sammlung der Niederösterreichischen Versicherung, Sammlung Hypo NÖ, Sammlung Urban, Landessammlung Niederösterreich die Kunstsammlung des Landes OÖ